Medizinprodukteverordnung
Die Medizinprodukteverordnung, kurz MDR, bezeichnet offiziell die Verordnung (EU) 2017/745. Sie besitzt signifikante Auswirkungen auf Private Label Seller in der Branche der Medizinprodukte. Mit ihrem Inkrafttreten am 26. Mai 2021 brachte diese Verordnung diverse neue Anforderungen und Vorschriften mit sich, die insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen herausfordernd sind.
Eine der Änderungen, die sich nun wesentlich auswirkt, besteht in der Verpflichtung der Implementierung eines Qualitätsmanagementsystems für Händler und Importeure. In diesem System müssen Prozesse enthalten sein, die gewährleisten können:
- dass die Übersetzung der Informationen korrekt und aktuell ist.
- dass das Produkt betreffende Tätigkeiten unter Bedingungen durchführt, die den Originalzustand des Produktes erhalten.
Aber genau das bedeutet für Private Label Seller eben, dass sie (und das trifft selbst dann zu, wenn sie lediglich als Importeure agieren) ein solches System einbinden müssen. Dabei steht es allerdings vollkommen außer Frage, dass hiermit erhebliche Kosten einhergehen können (Artikel 16 Absatz 3 der MDR). Wir sprechen hierbei in Zahlen von mindestens 15.000 € für den Aufbau eines solchen Systems – wenn nicht sogar noch mehr. Dies trifft beispielsweise dann zu, wenn Private Label Seller als Hersteller auftreten und ihre eigene Marke auf dem Produkt anbringen möchten. Denn in diesen Fällen müssen sie nicht nur das Qualitätsmanagementsystem einbinden, sondern auch eine umfangreiche technische Dokumentation inklusive Post-Market Surveillance (Überwachung nach der Inverkehrbringung), Risikomanagement sowie einer klinischen Bewertung erstellen, was zu einem erheblichen Kostenmehraufwand führen kann – und zwar um etwa 50.000 €.
Es wundert also nicht, dass die neuen Anforderungen für viele Private Label Seller, gerade eben für die kleineren und mittelständischen Unternehmen, finanziell und logistisch signifikant herausfordernd sein können.
Das Ziel der MDR
Das Ziel der MDR besteht darin, die Sicherheit und Qualität von Medizinprodukten zu verbessern, wenngleich sie dabei auch die Markteintrittsbarrieren für kleinere Akteure erhöht hat. Daraus kann möglicherweise eine Verringerung der Wettbewerbsvielfalt im Medizinprodukte-Markt resultieren. Das liegt insbesondere daran, dass kleinere Unternehmen gegebenenfalls nicht über die Ressourcen verfügen, die es bräuchte, um diese neuen Vorschriften erfüllen zu können.
Verständnis der Produktklassen
Im Zusammenhang mit der MDR kommt es auch zu einer Neuklassifizierung von Medizinprodukten, bei der der Fokus insbesondere auf den Klassen I, IIa und IIb liegt.
Dabei umfasst die Klasse I jene Produkte, die mit dem geringsten Risiko einhergehen. Demgegenüber stehen die Klassen IIa und IIb, die mit höheren Risiken verbunden sind und aufgrund dessen einer strengeren Reglementierung unterliegen. Welche Klassifizierung für welches Produkt jedoch die korrekte ist, hängt von verschiedenen Faktoren, mitunter der Dauer des Körperkontaktes sowie dem Verwendungszweck, ab. Werden Produkte in höhere Klassen eingestuft, ist es erforderlich, dass sie strengere Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen, wodurch es zu einem zusätzlichen Aufwand und Kosten für den Hersteller kommt. Dementsprechend komplex gestaltet sich deshalb auch die Einteilung von Medizinprodukten in Risikoklassen nach der Medizinprodukteverordnung (MDR) – allerdings wird sie dadurch nicht weniger bedeutend für die Private Label Seller.
Klasse IIa Produkte
In die Klasse IIa werden jene Produkte eingestuft, deren Bestimmung speziell in der Aufzeichnung von Diagnosebildern, die durch Röntgenstrahlung gewonnen werden, liegt. Außerdem gelten auch Produkte als Teil der Klasse IIa, wenn sie speziell für die Desinfektion oder Sterilisierung von Medizinprodukten gedacht sind. Kommen Produkte mit verletzter Haut oder Schleimhaut in Berührung, ist es ebenfalls möglich, dass diese Produkte in dieser Klasse verortet werden. Dies liegt vor allem an ihrer spezifischen Anwendung und den Eigenschaften. Nicht zu vernachlässigen sind bei genauerer Betrachtung dieser Klasse auch die invasiven Produkte, die mit Körperöffnungen zusammenhängen und die nicht dafür vorgesehen sind, an ein aktives Produkt angeschlossen zu werden. Zu guter Letzt gelten auch chirurgisch-invasive Produkte, die für die kurzzeitige Anwendung angedacht sind, als dieser Klasse angehörig – jedenfalls solange nicht speziell für den Einsatz am Herz, zentralen Kreislaufsystem oder zentralen Nervensystem bestimmt sind.
Klasse IIb Produkte
Der Klasse IIb angehörig sind vor allem Produkte, die der Empfängnisverhütung oder dem Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten dienen. Dies gilt allerdings unter der Prämisse, dass sie nicht implantierbar oder für die Langzeitanwendung vorgesehen sind. Auch Kontaktlinsen-Produkte, die speziell für deren Desinfektion, Hydratisierung, Reinigung oder Spülung angedacht sind, fallen in Klasse IIb. Produkte hingegen, in denen sich Nanomaterial wiederfinden oder die aus jenem bestehen, fallen in diese Klasse hinein, sofern sie ein niedriges Potenzial für interne Exposition aufweisen. Des Weiteren lassen sich nicht invasive Produkte, die für die Veränderung der biologischen oder chemischen Zusammensetzung von menschlichen Geweben oder Zellen, Blut und anderen Körperflüssigkeiten geeignet sind, ebenfalls hier einstufen, sofern die Behandlung nicht auf Basis einer Filtration, Zentrifugierung oder dem Austausch von Gas oder Wärme stattfindet.
Klasse III Produkte
In der Klasse III finden sich jene Produkte wieder, die Bestandteile enthalten, die als Arzneimittel kategorisiert oder aus menschlichem Blut oder Blutplasma erzeugt werden. Des Weiteren fallen in diese Kategorie ebenfalls jene Produkte, deren Herstellung unter Verwendung von abgetöteten beziehungsweise nicht lebensfähigen Geweben oder Zellen menschlichen oder tierischen Ursprungs oder deren Derivaten stattfindet.
Klasse I Produkte
In die Klasse I fallen alle anderen aktiven Produkte, bei denen eine Einstufung in eine der höheren Klassen nicht möglich ist.
Die besonderen Regelungen für implantierbare Produkte und chirurgisch-invasive Produkte zur langzeitigen Anwendung
In den meisten Fällen fallen Produkte jener Gruppen in die Klasse IIb. Und da Ausnahmen bekanntlich die Regeln bestätigen, ist es wichtig, zu wissen, dass die besagten Produkte nur dann nicht in diese Kategorie hineinfallen, wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllen, die eine Einstufung in die Klasse III erforderlich machen. Allgemein lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass die Klassifizierung nach der MDR essenziell ist, was insbesondere an den Anforderungen an die Konformitätsbewertung und die Notwendigkeit liegt, eine benannte Stelle einzubeziehen. Diese Informationen haben vor allem für Private Label Seller eine erhebliche Bedeutung, schließlich nimmt die Klassifizierung einen entscheidenden Einfluss auf die Anforderungen an die Konformitätserklärung und die CE-Kennzeichnung.
CE-Kennzeichnung und benannte Stellen
Ein ebenfalls bedeutsames Merkmal, welches aus der MDR resultiert, sind die CE-Kennzeichnungen. Bei ihnen besteht die Maßgabe, dass alle Produkte, die den Anforderungen der Verordnung zulänglich sind, eine CE-Kennzeichnung besitzen müssen. Dabei gilt es die nachstehenden Punkte zur CE-Kennzeichnung zu berücksichtigen:
- Die Anbringung der CE-Kennzeichnung: Du musst die CE-Kennzeichnung immer sichtbar und lesbar auf dem Produkt anbringen. Auch ist es wichtig, dass du darauf Acht gibst, dass die Kennzeichnung kontinuierlich auf dem Produkt oder auf seiner sterilen Verpackung angebracht ist. Sofern dies aufgrund der Beschaffenheit des Produktes einmal nicht möglich sein sollte, ist es auch zulässig, dass die Kennzeichnung auf der Verpackung angebracht wird. Des Weiteren kannst du sie auf jeder Gebrauchsanweisung und Handelsverpackung finden.
- Allgemeine Grundsätze: Der CE-Kennzeichnung liegen die allgemeinen Grundsätze des Artikels 30 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 zu Grunde.
- Zusätzliche Informationen: Wenn es erforderlich ist, wird der CE-Kennzeichnung die Kennnummer der benannten Stelle hinzugefügt, die für die Konformitätsbewertungsverfahren entsprechend Artikel 52 zuständig ist. Diese Nummer ist verpflichtend auch auf jeglichem Werbematerial anzugeben, welches auf die Erfüllung der Anforderungen für die CE-Kennzeichnung des Produktes hinweist.
Benannte Stellen
Eine Voraussetzung, die durch das MDR gestellt wird, besteht darin, dass eine Bewertung bestimmter Medizinprodukte von einer benannten Stelle vorgenommen werden muss. Die wichtigsten Aspekte sind dabei die folgenden:
- Organisation und Unparteilichkeit: Die Behörde, die für die benannten Stellen zuständig ist, wird so organisiert, dass die Objektivität und Unparteilichkeit ihrer Tätigkeit gesichert sind und Interessenkonflikte sich vermeiden lassen. Das Personal, das die Entscheidung über die Benennung oder Notifizierung trifft, darf allerdings nicht dasselbe sein, welches mit der Durchführung der Bewertung betraut war.
- Personal und Ressourcen: Es ist erforderlich, dass der Behörde ausreichend kompetente Mitarbeiter zur Verfügung stehen, die ihren Aufgaben ordnungsgemäß nachkommen.
- Vertraulichkeit und Informationsaustausch: Die Behörde muss sicherstellen, dass die Vertraulichkeit der von ihr erhaltenen Informationen gewahrt bleibt, und Informationen über benannte Stellen bei Bedarf mit anderen Mitgliedstaaten, der Kommission und anderen Regulierungsbehörden austauschen.
- Zuständige Behörden für benannte Stellen: Jeder Mitgliedstaat, der eine benannte Stelle für die Konformitätsbewertungen ernennen möchte oder dies bereits getan hat, ist dazu angehalten, die Benennung einer zuständigen Behörde vorzunehmen. Diese wiederum steht dann in der Verantwortung der Bewertung, Benennung, Notifizierung und Überwachung der benannten Stellen und ihrer Unterauftragnehmer.
Allerdings muss ganz klar erwähnt werden, dass die Einbeziehung einer benannten Stelle ein zeitaufwändiger und kostenintensiver Prozess ist, der für die Private Label Seller eine zusätzliche Herausforderung darstellt.
Die Situation vor der MDR
Die vorherige Regelung, die maßgeblich durch das Medizinproduktegesetz (MPG) und die Medizinprodukterichtlinie beeinflusst war, wies weniger strenge Anforderungen für die Zulassung und den Vertrieb von Medizinprodukten auf. Ein entscheidender Aspekt, der in der alten Regelung noch verankert war, machte es für Unternehmen, die dem Vertrieb von Medizinprodukten in der EU nachgingen, oft ausreichend, dass durch den außereuropäischen Hersteller, wie beispielsweise den chinesischen Produzenten, eine CE-Zertifizierung für das Produkt vorgewiesen wurde. Jene Zertifizierung agierte als Bestätigung dafür, dass das Produkt alle erforderlichen Anforderungen hinsichtlich der Sicherheit und Leistung der EU erfüllte. Dies bedeutet für die Händler und Importeure, dass ein gewisser Verlass auf die Konformitätsbewertung und die Zertifizierungen der Hersteller gegeben war. Diese Tatsache ersparte es den Private Label Sellern, dass sie umfassende, eigene Prüfungen oder Zertifizierungen durchführen mussten. Dieser Ansatz gestaltete es vor allem für kleinere Unternehmen und Private Label Seller wesentlich einfacher, ihre Medizinprodukte in der EU auf den Markt zu bringen, da es vergleichsweise niedrige Hürden für den Markteintritt zu überwinden galt. Auch war es für die Unternehmen möglich, dass sie Produkte unter ihrer eigenen Marke vertreiben konnten – und zwar selbst dann, wenn sie diese nicht selbst herstellten. Die Hauptverantwortung hinsichtlich dessen, dass die Sicherheits- und Leistungsstandards eingehalten werden, oblag seinerzeit dem Hersteller des Produktes.
Diese Vorgehensweise löste jedoch Bedenken bezüglich der Sicherheit und Effektivität medizinischer Produkte aus, da die Kontrolle und Überwachung durch Importeure und Händler eingeschränkt war. Das Ziel der neuen MDR besteht darin, diese Lücken durch strengere Anforderungen an alle Akteure, einschließlich den Händlern, Herstellern und Importeuren in der Lieferkette von Medizinprodukten, zu schließen.
Beispielprodukte und deren Klassifizierung
Die Basis der Einstufung der verschiedensten Artikel wie zum Beispiel komfortablen Kopfkissen, Nasenstreifen oder Anti-Schnarch-Geräten, Bettschutzauflagen oder Gehhilfen liegt in ihrer individuellen Risikobewertung und der Anwendung, für die sie vorgesehen sind.
Kopfkissen
So können ergonomische Kissen, die vorbeugend oder lindernd für Körperbeschwerden wie Rückenschmerzen eingesetzt werden können, möglicherweise in die Klasse I Medizinprodukte eingestuft werden. Jedoch ist durchaus auch eine Einstufung in eine höhere Klasse möglich, sofern sie den spezifischen medizinischen Ansprüchen entsprechen.
Nasenpflaster
Nasenpflaster oder Schienen, die gegen das Schnarchen genutzt werden können, könnten in Abhängigkeit zu ihrer Funktionsweise und der Zweckbestimmung in unterschiedlichen Klassen hineinfallen.
Einfache Nasenpflaster könnten möglicherweise einer niedrigeren Klassifizierung zugeordnet werden, während spezialisierte, aktiv in den Atmungsprozess eingreifende Schienen, unter Umständen einer höheren Klassifizierung wie IIa oder IIb unterliegen könnten.
Inkontinenzprodukte
Inkontinenzprodukte, die dafür vorgesehen sind, Körperflüssigkeiten aufzufangen, nicht jedoch dafür die Inkontinenz selbst zu behandeln, werden im Normalfall als Klasse I eingestuft.
Gehhilfen
Rollatoren werden normalerweise als Klasse I eingestuft, es sei denn, sie verfügen über besondere Merkmale oder fortschrittliche Technologien, die sie einer höheren Risikoklasse zuordnen.
Es ist für Hersteller und Verkäufer von entscheidender Bedeutung, die präzisen Klassifizierungsvorschriften und deren Auswirkungen auf ihre Produkte vollständig nachzuvollziehen, um die Einhaltung der MDR zu gewährleisten. Produkte, die mit einem höherem Risiko oder komplexeren technologischen Merkmalen verbunden sind, werden normalerweise in höhere Klassen einkategorisiert.
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