EU-Produktsicherheits-Verordnung
Produktsicherheit ist eines jener Themen, die von vielen E-Commerce Sellern eher stiefmütterlich behandelt werden. Das liegt daran, dass Verstöße in der Regel keinerlei Konsequenzen nach sich ziehen, vor allem bei jenen Produktgruppen, die von Behörden gar nicht oder nur sehr spärlich überwacht werden.
Mit Einführung der neuen EU-Produktsicherheitsverordnung könnte sich das allerdings grundlegend ändern. Erfahre in diesem Artikel, welche weitreichenden Neuerungen diese Verordnung für E-Commerce Seller mit sich bringt, ab wann sie gilt und welche Produkte betroffen sind.
Rechtlicher Hintergrund
Bis jetzt gab das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) vor, welche Anforderungen beispielsweise bei der Produkt- und Verpackungskennzeichnung erfüllt werden müssen, wenn ein Produkt auf dem deutschen Markt verkauft werden sollte. Das Produktsicherheitsgesetz stellte die Umsetzung der Allgemeinen Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG der EU dar.
Mit 25.04.2023 nahm der Europäische Rat den Text der neuen EU-Produktsicherheitsverordnung (kurz GPSR), an. Das bedeutet, dass die alte Richtlinie 2001/95/EG nun durch die neue Verordnung ersetzt wird. Wenn du noch nicht weißt, was genau der Unterschied zwischen einer Richtlinie und einer Verordnung ist, dann erfährst du in diesem Artikel mehr darüber.
Durch diesen Umstand wird auch das deutsche Produktsicherheitsgesetz in großen Teilen ersetzt. Das ProdSG gilt dann fast nur noch für den Bereich B2B. Mit Einführung der GPSR soll sichergestellt werden, dass nur sichere nicht-harmonisierte Verbraucherprodukte in Verkehr gebracht werden. Auch digitalisierte Produkte und die Herausforderungen neuer Geschäftsmodelle sollen durch die GPSR abgedeckt werden.
Ab wann gilt die neue Produktsicherheitsverordnung?
Die neue Produktsicherheitsverordnung trat mit 12. Juni 2023 in Kraft. Gelten wird sie ab dem 13. Dezember 2024. Theoretisch also genug Zeit, um sich auf die Änderungen vorzubereiten. Während dem Übergangszeitraum von 18 Monaten dürfen weiterhin nicht-harmonisierte Verbraucherprodukte nach Richtlinie 2001/95/EG beziehungsweise dem ProdSG auf dem Markt verkauft werden. Nach Ende dieses Übergangszeitraumes gilt die Verordnung dann unmittelbar in jedem EU-Mitgliedsstaat.
Wen betrifft die neue Produktsicherheitsverordnung?
Unmittelbar betroffen sind alle Wirtschaftsakteure, die in der EU tätig sind. Darunter fallen beispielsweise Hersteller, Bevollmächtigte, Einführer und Händler. Zudem wird durch die Verordnung der persönliche Anwendungsbereich erweitert. Das bedeutet, dass auch Fulfillment-Dienstleister sowie Online-Marktplätze, wie z.B. Amazon zum Kreis der Wirtschaftsakteure zählen.
Welche Produkte sind von der neuen Verordnung betroffen?
Die Verordnung soll vor allen Dingen dem Schutz der Verbraucher dienen. Daher umfasst sie alle jene Produkte, die für den Verkauf an Verbraucher bestimmt sind.
Die wichtigsten Änderungen für E-Commerce Seller
Vorverlagerter Anwendungszeitpunkt und die Folgen
Ein Produkt gilt dann als erstmalig auf dem Markt bereitgestellt und damit als in Verkehr gebracht, wenn es Verbrauchern online oder über eine andere Form des Fernabsatzes zum Verkauf angeboten wird. Dabei ist irrelevant, wann der erste Verkauf passiert!
Wirtschaftsakteure müssen daher bereits beim Angebot eines Produktes gewisse Informationen preisgeben:
- Kennzeichnung des Herstellers
- Name
- Eingetragener Handelsname oder eingetragene Handelsmarke
- Postanschrift
- E-Mail-Adresse
- Bei Herstellern, die nicht in der EU niedergelassen sind, muss die verantwortliche Person (z. B. der Bevollmächtigte) angegeben werden
- Name
- Postanschrift
- E-Mail-Adresse
- Eindeutige und gut sichtbare Warnhinweise beziehungsweise Sicherheitsinformationen
Neue Beurteilungskriterien für die Sicherheit von Produkten
Durch die GPSR werden die Bewertungskriterien, nach denen kontrolliert wird, ob ein Produkt sicher ist, deutlich ausgeweitet und verschärft. Einige, der in Artikel 6 der GPSR aufgelisteten Beurteilungskriterien sind:
- Produkteigenschaften (Gestaltung, Technische Merkmale, Instruktionen, Verpackung, Konstruktion)
- Mögliche Wechselwirkungen mit anderen Produkten
- Produktkennzeichnung
- Verbraucherspezifische Aspekte wie betroffener Verbrauchsgruppen oder auch geschlechtsspezifische Unterschiede bezogen auf Gesundheit und Sicherheit
- Erscheinungsbild des Produkts – das betrifft vor allem Produkte, die durch ihr Erscheinungsbild den Verbraucher dazu verleiten könnten, das Produkt in einer anderen Weise zu verwenden als jene, für die es bestimmt ist
- Merkmale der Cybersicherheit
Herstellerpflicht zur Durchführung einer internen Analyse
Eine weitere, schwerwiegende Änderung, die sich durch die neue Verordnung ergibt, ist, dass Hersteller für jedes Produkt die Pflicht trifft, eine interne Risikoanalyse durchzuführen. Diese Analyse und die zugehörigen technischen Unterlagen müssen zumindest eine allgemeine Beschreibung des Produkts sowie der für die Sicherheitsbewertung relevanten Eigenschaften enthalten. Eine Bagatellklausel, die es ermöglichen würde, das Verfahren für weniger komplexe Produkte zu umgehen, gibt es nicht.
Wesentliche Produktveränderungen
Sobald ein Produkt in einer wesentlichen Weise verändert wird, gilt die Person als Hersteller, die die Veränderung durchführt. Damit gehen auch die Herstellerpflichten auf diese Person über.
Eine physische oder digitale Änderung eines Produktes gilt dann als wesentlich, wenn sie sich auf die Sicherheit des Produkts auswirkt und sie zusätzlich
- das Produkt in einer Weise verändert, die von der ursprünglichen Risikobewertung nicht abgedeckt war.
- die Änderung dazu führt, dass sich auch die Art der Gefahr ändert, eine neue Gefahr entstanden ist oder sie das Risikoniveau verändert hat.
- die Änderungen nicht vom Verbraucher selbst oder im Auftrag des Verbrauchers für den eigenen Bedarf vorgenommen wurde.
Abgesehen von diesen Änderungen bleibt man auch weiterhin dann Hersteller, wenn man seine Marke oder Adresse am Produkt und auf der Verpackung anbringt.
Kopplung der Verkehrsfähigkeit aller Verbraucherprodukte an die Existenz eines EU-Wirtschaftsakteurs
Die Verkehrsfähigkeit nicht-harmonisierter Verbraucherprodukte ist zukünftig an die Existenz eines EU-Wirtschaftsakteurs gebunden. Bei Produkten, die aus EU-Drittländern eingeführt werden, ist das meistens der Einführer. Diesen treffen daher auch Prüf- und Kennzeichnungspflichten. Für harmonisierte Produkte besteht mit der Verordnung 2019/1020 bereits eine entsprechende Regelung.
Rückverfolgsbarkeitsanforderungen
Die Einführung der GPSR ermöglicht es der Europäischen Kommission, ein zentrales Rückverfolgungssystem einzurichten. Dadurch soll es erleichtert werden, Produkte zurückzuverfolgen, die ein ernsthaftes Risiko für die Gesundheit und Sicherheit von Verbrauchern darstellen können.
Meldepflichten bei Unfällen
Kommt es zu einem produktbedingten Unfall, der den Tod des Verbrauchers oder Gesundheitsschäden zur Folge hat, so muss dieser Unfall unverzüglich (ab Kenntnis) durch den Hersteller an die zuständigen Behörden weitergeleitet werden. Welche Behörde zuständig ist, hängt davon ab, in welchem Mitgliedsstaat sich der Unfall ereignet hat.
Die Meldung erfolgt über das sogenannte Safety-Business-Gateaway. Einführer und Händler sind zudem verpflichtet, entsprechende Vorkommnisse an den Hersteller zu melden, welcher dann wiederum seinen Pflichten nachkommen muss. Ist der Hersteller nicht in der Union niedergelassen, so ist der EU-Wirtschaftsakteur für die Meldung zuständig.
Fazit
Es ist also klar, dass es mit 13.12.2024 zu einer gravierenden Intensivierung der Marktüberwachungs-Tätigkeiten kommen wird. Auch Produktgruppen, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Visier der Marktüberwachungsbehörden standen, könnten ab dann strenger kontrolliert werden. Die verhältnismäßig kurze Übergangsfrist von 18 Monaten lässt den Wirtschaftsakteuren zusätzlich nur wenig Zeit, um ihre Produkte an die neuen Regelungen anzupassen.
E-Commerce Sellern ist es daher zu empfehlen, bereits jetzt mit den Vorbereitungen zu beginnen und sich auf die neuen produktsicherheitsrechlichen Regelungen einzustellen. Dazu gehört es auch, das eigene Geschäftsmodell im Hinblick auf die neuen Anforderungen der GPSR zu bewerten, da gerade interne Prozesse oft einer zeitintensiven Umstellung bedürfen.
Wenn du dir noch nicht sicher bist, ob und wie dich die neue Produktsicherheitsverordnung genau betrifft und welche Änderungen auf dich zukommen könnten, dann vereinbare dir gerne unverbindlich einen Termin für ein Erstgespräch mit unseren Compliance-Experten. Gemeinsam sehen wir uns an, wo Handlungsbedarf besteht und klären ab, wie wir dich am besten bei deinen Projekten unterstützen können.
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Wer hat diesen Beitrag verfasst?
In ihrer Rolle als Autorin füllt Christina die Blogsektion unserer Website mit spannenden sowie informativen Beiträgen, so dass sich unsere Leser stets bestinformiert selbstständig um die Product Compliance in Ihrem Unternehmen kümmern können.